Sehr geehrte Frau NRAbg. Mag. Aubauer,
anlässlich der Parlamentskorrespondenz Nr. 648 vom 02.07.2014 erlaube ich mir, Ihnen die Stellungnahme der „Initiative Religion ist Privatsache“ zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ sowie das Positionspapier „Sterbehilfe in Österreich – Mehr Selbstbestimmung ist dem Menschen zumutbar und geschuldet“ vom 26.2.2014 zu übermitteln (s. Anhang bzw. http://www.letztehilfe.at/wp-content/uploads/2014/03/positionspapier_26_februar_2014-1.pdf). Besagtes Positionspapier wurde anlässlich der Präsentation des aktuellen Regierungsprogramms – dem letztendlich auch die Gründung der Enquetekommission, die Sie leiten, zu verdanken ist – seitens einer Arbeitsgruppe der „Initiative Religion ist Privatsache“ verfasst. Dieses Dokument genießt, unter anderem, auch die Unterstützung des Verfassungsexperten Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer sowie des Ethikexperten und Philosophen Univ.-Prof. Dr. Gerhard Streminger.
- Wie auch im beigefügten Positionspapier ausführlich dargestellt wurde, lehnen wir ein kategorisches Verbot jeglicher Form der Sterbehilfe bzw. einen ideologischen Missbrauch des Würdebegriffes auf Verfassungsebene strikt ab. Von dem verfassungsrechtlich mehrfach verankerten Recht auf ein selbstbestimmtes Leben – und somit auch auf einen selbstbestimmten Tod – ausgehend, fordern wir vielmehr die Enquetekommission auf, Vorschläge für eine sachliche Regulierung und somit Legalisierung der Suizidbegleitung vorzulegen. Würde am Ende des Lebens kann nämlich ausschließlich mit Freiheiten garantiert werden; mehr oder weniger ideologisch geprägte – und somit nicht sachliche – Verbote kommen hingegen einer entwürdigenden Bevormundung gleich.
- Vor dem Hintergrund der Straffreiheit des Suizids, der zunehmend liberalen Rechtsprechung des EGMR sowie der stets wachsenden rechtlichen Akzeptanz diverser Formen der Sterbehilfe in entwickelten Staaten würden wir die Aufnahme eines generellen Sterbehilfeverbots in die Österreichische Verfassung als Akt antidemokratischer und rein religiös-ideologischer Manipulation der Grundlage der österreichischen Rechtsordnung betrachten. Wir ersuchen daher die Kommission, den ihr gegenüber ausgesprochenen bedenklichen Auftrag, eine Verfassungsänderung lediglich im Sinne des Regierungsprogramms zu überprüfen, mit der entsprechenden Skepsis und der Bereitschaft, eine ergebnisoffene Diskussion zu führen, entgegenzunehmen.
- Im Rahmen der Arbeit der Enquetekommission ersuchen wir die Tatsache zu berücksichtigen, dass zu Jahresbeginn 2014 erstmals in Österreich der Versuch unternommen wurde, einen Verein für selbstbestimmtes Sterben zu gründen („Letzte Hilfe – Verein für selbstbestimmtes Sterben“). Am 3.3.2014 wurden die Vereinsstatuten (http://www.letztehilfe.at/wp-content/uploads/2014/03/20140209_Statuten_Hinweis-1.pdf) von der Vereinspolizei per Bescheid abgelehnt und somit die Vereinsgründung aufgrund der angeblichen Unvereinbarkeit der Statuten mit §78 StGB untersagt. Die am 18.3.2014 von den Proponenten eingebrachte Beschwerde (http://www.letztehilfe.at/wp-content/uploads/2014/03/Berufung_Letzte-Hilfe-1.pdf) gegen diesen Bescheid ist noch anhängig. Da aufgrund der gesetzlichen Lage praktisch mit keiner positiven Erledigung dieser Beschwerde zu rechnen ist, dürfte in absehbarer Zeit die Entscheidung der Behörde und in weiterer Folge die Frage, ob §78 StGB verfassungskonform ist, Gegenstand eines Gerichtsverfahrens werden. Eine etwaige Empfehlung der Kommission, jegliche Form der Sterbehilfe in die Verfassung aufzunehmen würde somit die Entscheidung des VfGH vorwegnehmen. Auf Wunsch der Enquetekommission würde die „Initiative Religion ist Privatsache“, die die Vereinsgründung juristisch sowie finanziell begleitet, sämtliche Unterlagen und Korrespondenzen, die mit diesem Verfahren in Verbindung stehen, der Enquetekommission zur Verfügung stellen. Die Nichtgestattung der Aufnahme der Vereinsaktivität betrachten wir als eine verfassungsrechtlich nicht gedeckte Verletzung des Selbstbestimmungsrechts, der Religionsfreiheit sowie des Rechts auf ein würdevolles Leben bzw. Sterben.
- Die „Initiative Religion ist Privatsache“, die sich für die Gründung des untersagten Vereins „Letzte Hilfe – Verein für selbstbestimmtes Sterben“ einsetzt, betreibt die Aktions- und Informationswebpage www.letztehilfe.at. Über diese Webpage wird seit Ende April 2014 an österreichische Interessenten eine Sterbehilfe-Infomappe kostenlos angeboten. Die per Post versendeten Unterlagen werden von ausländischen Partnerorganisationen, die sich einem Leben bzw. Sterben in Würde verschrieben haben, bereitgestellt. Obwohl für die Infomappe keine Werbung betrieben wird, bestellten bisher knapp fünfzig Personen die Infomappe. Da die „Initiative Religion ist Privatsache“ aus rechtlichen Gründen mit den Interessenten keinen weiteren Kontakt pflegt, können wir keine demographischen Angaben bzw. Hintergrundinformationen zu den Interessenten liefern. Wir können dennoch bezeugen, dass sowohl die Infomappe-Bestellungen sowie zahlreiche Emails, die uns diesbezüglich erreicht haben, von einem regen Interesse zeugen.
- Das Patientenverfügungs-Gesetzt (BGBl. I Nr. 55/2006; PatVG) ist in zwei zentralen Punkten reformbedürftig. Zum einen erachten wir es aus Gründen der praktischen Handhabung im Falle der medizinischen Notversorgung als unerlässlich, ein zentrales Patientenverfügungsregister einzurichten. Zum anderen betrachten wir das Gesetz, mangels einer entsprechenden Strafbestimmung im Falle der Nichtbefolgung seitens eines behandelnden Arztes, als zu zahnlos.
- Abschließend dürfen wir darauf hinweisen, dass der Schlussbericht sowie etwaige Empfehlungen der Enquetekommission dem Vorwurf der Einseitigkeit nicht Stand halten werden können, wenn unter den geladenen Experten kein Vertreter einer im Ausland gesetzlich zugelassenen Suizidbegleitungsorganisation zu finden sein wird. Wir dürfen darauf hinweisen, dass folgende Experten, mit denen wir um die Aktivität der Plattform „Letzte Hilfe“ eine Kooperation pflegen, sich bereit erklärt haben, ihre Expertise sowie die von ihnen gesammelten ausführlichen Erfahrungen zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ zu teilen. Falls notwendig helfen wir gerne bei der Kontaktaufnahme.
Rechtsanwalt Ludwig A. Minelli
Generalsekretär „Dignitas“ (www.dignitas.ch)
(Email)
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Dr. med. Erika Preisig
Praktizierende Hausärztin FMH und Vereinspräsidentin „lifecircle“ (www.lifecircle.ch)
(Email)
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Bernhard Sutter
Vizepräsident EXIT Deutsche Schweiz (www.exit.ch)
(Email)
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Professor Dr. Dieter Birnbacher
Vizepräsident „DGHS“ (www.dghs.de)
(Email)
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Mit freundlichen Grüßen,
Heinz Oberhummer